Das echte und das falsche Leben

Und da war es wieder: Mechthild Dyckmans, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, stellte die Studie zur „Verbreitung der Internetabhängigkeit in Deutschland“ vor. Die sogenannte Online-Sucht ist sicher ein ernstzunehmendes Thema, auf der Suche nach einer Erklärung für das Phänomen nannte sie jedoch folgenden Satz (den ich aus meinem Gedächtnis zitiere): „Die Suchtgefährdeten suchen im Internet nach Bestätigung, die sie im echten Leben nicht finden.“

Die FDP-Frau (und mit ihr natürlich ein Großteil der ‚digital immigrants‘) scheint nicht zu verstehen, dass es für uns keine Unterscheidung gibt zwischen dem „wahren Leben“ und dem Internet. Beide Bereiche unseres einen Lebens sind eng miteinander verbunden und können nicht voneinander getrennt betrachtet werden.

Vielleicht ist es gerade diese Unterscheidung zwischen „echtem“ und „falschem“ Leben, die dazu führt, dass die Onlinesucht unterschätzt wird und dadurch viel gefährlicher wird. Aber vermutlich wird sich daran nichts ändern, so lange deutsche Zeitungen auch weiterhin noch von „Alkohol und Drogen“ sprechen.

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Zwischen Comedy und Rechenzentrum

So eben endete die Übertragung der Pressekonferenz der Piraten-Partei und alleine schon wegen dieser zehn Minuten freut es mich, dass die „Internet-Partei“ den Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus geschafft haben (unabhängig von allen fragwürdigen Inhalten, die sie beizeiten vertreten). Wie wundervoll war die Szene, in der Christopher Lauer seinen Laptop in die Kameras der anwesenden Journalisten hielt und sagte: „Wir zeigen Ihnen jetzt mal das Internet.“


Das blaue (Talk-)Sofa

Letzten Freitag startete das ZDF einen weiteren Versuch, das (von mir heißgeliebte) Medium Buch in eine Fernsehsendung zu verpacken. Die Sendung heißt Das blaue Sofa und ist in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Ich würde vieles darüber schreiben, wenn das nicht bereits Katrin Schuster auf ihrem Blog getan hätte, noch dazu in einer Weise, der (leider) nichts hinzuzufügen ist.


We have to rethink…

Die Phoenix-Berichterstattung zur Berlin-Wahl setzt sich auch mit der digitalen Repräsentation der Parteien im Internet auseinander (und vertraut dabei dem Anschein nach auf Windows ME). Dabei wurden auch spezielle Internetwerbespots gezeigt, als dessen Quelle „Youtube“ angegeben wurde. Viel ungenauer geht es nun wirklich nicht und wollte ich tatsächlich nachvollziehen, woher die gezeigten Bilder stammen, würde mir das kaum weiterhelfen.

Wie es im berühmten Webvideo The Machine is Us/ing Us schon heißt: „We have to rethink Copyright.“ Ich würde hinzufügen: „We have to rethink Quellenangaben.“


Everything is a Remix

Für manche Dinge muss man das Internet einfach lieben. Zum Beispiel für die Videoserie Everything is a remix von Kirby Ferguson. Für mich als DVD-Freak ist besonders der zweite Teil hochinteressant, in dem es um Filme geht, die andere „zitieren“. Sehenswert und kunstvoll gemacht sind aber alle Teile.

In diesem Kontext verdient auch das Buch Reality Hunger von David Shields eine Erwähnung. In diesem „Manifest“ hat der Autor verschiedenste Textstellen zusammengesetzt und dabei ein komplett neues Werk geschaffen. Auch sein Motto ist „gesampelt“: Art is theft. Lesenswert!


Haben Lehrer ein digitales Defizit?

Es hätte so schön sein können.

Auf ZEIT-Online ist seit dem 13.09.2011 ein Leserartikel unter dem verheißungsvollen Titel Lehrer haben ein digitales Defizit zu lesen. Das klingt spannend und könnte tatsächlich der Ausgangspunkt einer interessanten Diskussion sein. Doch leider entpuppt sich der Artikel als eine Mischung von zwar richtigen, aber belanglosen Plattitüden und unzeitgemäßen Klischees.

So stellt Marlon Bünck beispielsweise fest: „Viele Lehrer betrachten digitale Enzyklopädien wie zum Beispiel Wikipedia allerdings immer noch als unsichere Quellen. Die meisten fordern, dass Schüler ihre Informationen weiterhin aus den Lehrbüchern beziehen.“ Und schreibt außerdem (Überraschung!): „Keine gedruckte Enzyklopädie kann mit dieser Geschwindigkeit und Aktualität mithalten. Während die gedruckten Nachschlagewerke immer wieder eine Neuausgabe benötigen, existieren die Artikel zum Südsudan oder zum befreiten Libyen bereits am Tag des Ereignisses.“

Statt interessante Fragen zu stellen und eine Beantwortung zu wagen, versinkt der Artikel in der Belanglosigkeit.


Sascha Lobo und das Internet als Schulfach

Sascha Lobos SPON-Kolumne Wer gute Manieren hat, braucht keine Verbote liegt zwar für Internetverhältnisse schon Dekaden zurück (sie erschien am 31.08.2011), aber ein Satz in ihr ist so falsch, dass mich nichts davon abhalten konnte, sie zu kommentieren: „An einem Schulfach Internet führt kein Weg vorbei.“

Um ehrlich zu sein hielt ich diesen Satz zunächst für reine Satire, doch Lobo scheint es ernst zu meinen. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich also zwischen 45 Minuten Biologie und Deutsch eine Schulstunde lang mit dem Internet beschäftigen? Das ist nicht nur vollkommener Blödsinn, sondern widerspricht dem Grundgedanken des World Wide Web vollkommen.

Gerade bei Jugendlichen spielt das Internet mittlerweile in so vielen Bereichen des Alltags eine Rolle, dass es grundfalsch wäre, es als abgeschlossenen Kosmos im Zusammenhang eines einzelnen Schulfachs zu behandeln. (Völlig abgesehen von der Frage, wie der entsprechende Lehrer das Internet überhaupt angemessen überblicken könnte, um es zu unterrichten.)

Die Internetnutzung von Schülerinnen und Schülern scheitert ja nicht an der eigentlichen Bedienung (hier sind sie den Lehrkräften oft mehrere Schritte voraus), sondern an der Filterung. Sie können Inhalte finden, aber diese nicht einordnen. Die Schülerinnen und Schüler müssen die richtige Benutzung des Internets lernen. Das kann nur fachspezifisch funktionieren.

Auf welchen Seiten schaue ich nach, wenn ich verlässliche Informationen zur Amerikaauswanderung suche? Wie erkenne ich, ob ich einer Website mit Buchzusammenfassungen trauen kann? Wieso ist Wikipedia nur wenig hilfreich bei der Recherche für das Religionsreferat?

Das Internet muss in die Schule, aber nicht als einzelnes Fach, sondern in jedem einzelnen Fach.

Wobei man Lobo immerhin zugestehen muss, dass er sich in guter Gesellschaft befindet. Denn in Deutschland werden ja ganz gerne mal neue Schulfächer gefordert, wenn alte gesellschaftliche Probleme auftauchen.
Fächer wie Friedenserziehung, Ökonomie, Nationalsozialismus, Gesundheit, Videospiele, Denkmalschutz, Astronomie, Datenschutz, Türkisch, Erste Hilfe, Ernährung, Anlageberatung, Finanzunterricht, Familie, Volksmusik, Schach

Ich prophezeie: Bald wird die Ganztagsschule nicht mehr ausreichen!


Die zwei Königswege der Internetsicherheit

Zeit-Online hat ein sehr lesenswertes Interview mit David Clark, einem „der Gründerväter des Internets“, geführt. Ich muss gestehen, dass mir der Name bislang überhaupt nichts sagte, aber dem Interview nach zu urteilen hat er einige interessante Sichtweisen auf das World Wide Web.

Besondere Beachtung verdient seine Position zu der Frage Anonymität vs. Personalität im Internet. Hier sollte es laut Clark kein ‚entweder – oder‘ geben, sondern ein ‚auch‘.

ZEIT ONLINE: Das Internet soll sicherstellen, dass Sender und Empfänger stets bekannt sind?

Clark: Nein, das meine ich damit nicht. Nicht generell. Im Fall von Elektrizitätswerken sollte es so sein, ja. Auch im Fall einer Bank. Es gibt aber viele andere Beispiele, in denen eine solche Authentifizierung der Benutzer unerwünscht ist; im Gegenteil: Denken Sie an bestimmte Informationsseiten zu Gesundheitsfragen. Solche Dienste würden ja überhaupt nicht mehr funktionieren, wenn jeder seine Identität preisgeben müsste.“


Ein kleines Bonmot

Im Artikel Vernetzen ist immer gut in der aktuellen Ausgabe der ZEIT schreibt Khue Pham zwei sehr schöne Sätze, die es wert sind, zitiert zu werden:

„‚Wir wollen die Welt verbessern‘ sagt Google über Google. Wenn sich nebenher das eigene Image mit verbessert, wem schadet es?“


Abwarten und Tee trinken

Ich bin – maßgeblich aufgrund des schlechten Wetters – in letzter Zeit mal wieder zum Teetrinker mutiert; ein Vorgang, der bei mir oft im Zuge einer Erkältung stattfindet und sich dann meist zwei Monate hält.

Wie eigentlich alles andere auch, kann man Tee mittlerweile im Internet bestellen. Auf meiner Suche nach einem Teeversandhandel mit möglichst geringem Mindestbestellwert für kostenfreies Porto bin ich auch irgendwann auf der Website des Franchise-Unternehmens Tee Gschwender gelandet. Dort habe ich mich ins Gästebuch verirrt und war überrascht: Durchschnittlich mehrmals täglich posten Kunden der Firma ihre Fragen, ihr Lob oder ihre Kritik im Internet. Das hat mich bei einem Produkt wie Tee, welches man vielleicht nicht spontan der coffee-to-go-abhängigen Internetgemeinde zurechnen würde, dann doch zunächst verwundert.

Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, wieso das Gästebuch so beliebt ist. Mitarbeiter von Tee Gschwender kommentieren fast jeden Beitrag, beantworten Fragen schnell, ausführlich und kompetent. Die Sprache klingt dabei zwar gerne mal teegeschwänger-esoterisch, aber das passt nunmal zur Firma und ihren Kunden.

Ein kleines Beispiel: Der User senchafan92 macht sich aufgrund der Atomkatastrophe in Fukushima Sorgen um eine mögliche Strahlenbelastung seines japanischen Tees. Die Antwort:

„Tatsächlich wurden in einigen japanischen Präfekturen nördlich und südlich von Tokio erhöhte Messwerte festgestellt. Die Produkte aus den betroffenen Regionen werden jedoch nicht in den Verkehr gelangen. Für die neue Ernte bei TeeGschwendner wurden ausschließlich Tees kontrahiert, die von der Südinsel Kyushu stammen. Also weitab ( über 1000 Km ) der Gefahrenzone wachsen und verarbeitet werden. Die ersten Angebotsmuster aus der Shincha Ernte 2011 haben wir inzwischen erhalten und die Analyse-Ergebnisse waren einwandfrei. Wir verfügen weiterhin über ausreichende Bestände der Ernte 2010 und Sie dürfen sicher sein, wenn wir die Neue Ernte anbieten ( Shincha Flugtee in ca. 2 Wochen, alle anderen Sorten ca. Spätsommer/Herbst ), dann ist sie umfangreich kontrolliert und bedenkenlos zu geniessen.“

So gewinnt man Stammkunden auf einem Markt, in dem man es schwer hat, sich von der Konkurrenz abzugrenzen.